Die Delphi-Methode einfach erklärt

Appinio Research · 12.06.2023 · 6min Lesezeit

Die Delphi-Methode schafft durch mehrstufige Fragerunden klarere Prognosen als das antike Orakel.

Eine magische Glaskugel, um Erfolg und Misserfolg der eigenen Arbeit vorauszusehen? Das bleibt leider weiterhin Wunschdenken. Aber für Prognosen von Experten und Expertinnen und präzisere Vorhersagen hält die Marktforschung eine beinahe magische Möglichkeit bereit: die Delphi-Methode, auch Delphi-Studie genannt. Wo die Delphi-Methode ihren Ursprung hat, wie das Verfahren funktioniert, welche Vorteile die Methode bietet und wofür sie eingesetzt wird, zeigen wir hier.

Was ist die Delphi-Methode?

 

Die Delphi-Methode bzw. Delphi-Studie ist eine qualitative Marktforschungsmethode. Dabei geben Experten und Expertinnen in mehreren anonymisierten Runden ihre Meinungen oder Prognosen zu bestimmten Themen ab. Es ist demnach eine besondere Art des Befragungsverfahrens. Hier kommen oft Fragebögen mit geschlossenen Fragen und Likert-Skalen zum Einsatz. Nach jeder Befragungsrunde werden die Ergebnisse zusammengefasst und gehen anonymisiert an alle Teilnehmenden für eine erneute Einschätzung zurück. Am Ende kommt nach mehreren Abstimmungs- und Anpassungsrunden ein besseres und präziseres Ergebnis zustande. Solche Delphi-Studien sind zwar zeitaufwändig, können jedoch bei komplexen und ungeklärten Themen mit vielen Faktoren weiterhelfen. Es besteht aber auch das Risiko, dass die Antworten trotz Anonymisierung durch Gruppendynamiken verzerrt werden können. 

Woher kommt die Delphi-Methode? 

Die Delphi-Methode wurde in den 1950er Jahren von Olaf Helmer und Norman Dalkey am Rand Corporation Think Tank entwickelt. Delphi war eine Stadt im antiken Griechenland, die auch als Orakelzentrum für weise Vorhersagen bekannt war. Die Marktforschungsmethode will ähnlich wie das Orakel damals die Weisheit von Experten und Expertinnen sammeln und daraus fundierte Vorhersagen durch sein mehrstufiges Befragungsverfahren ableiten.

Wo kommt die Delphi-Methode zum Einsatz?

Die Delphi-Technik ist eine vielseitige wie beliebte Methode der Marktforschung. Ein Fokusbereich ist die Prognose von Trends und Entwicklungen – etwa in der Tech-Branche oder der Finanzwelt. Die flexible und anpassungsfähige Delphi-Methode kann Meinungen von Experten und Expertinnen zu einer Vielzahl von Themen in diversen Bereichen einholen. Sie kann aber auch bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen wertvolle Ansprüche zu Anforderungen und Eigenschaften des Produktes oder der Dienstleistung hervorbringen. Auch bei der Bewertung von Risikofaktoren und Unsicherheiten sowie bei Zielsetzung und Strategie-Entwicklung kann die Delphi-Methode weiterhelfen.

Welche Vorteile hat die Delphi-Methode?

Die größte Stärke der Delphi-Methode liegt im anonymisierten, iterativen Befragungsprozess. So können die Experten und Expertinnen ihre Meinungen und Prognosen frei äußern, ohne von den anderen Teilnehmenden beeinflusst zu werden. Durch die iterative, sprich wiederholte Befragung, können die Experten und Expertinnen ihre Antworten in jeder Runde anpassen oder korrigieren. Das hilft insbesondere bei komplexen Themen, bei denen es keine Antwort gibt – oder Entscheidungen mit mehreren Faktoren. 

Welche Nachteile hat die Delphi-Methode? 

Der größte Nachteil der Delphi-Methode bzw. Delphi-Studie ist der hohe Zeitaufwand der Befragungs- und Auswertungsprozesse. Auch können die Antworten mitunter oberflächlich sein, da es keinen Meinungsaustausch und damit keine Chance zur Verteidigung der eigenen Ansichten gibt. Zudem können durch Gruppendynamik oder einer ungleichen Verteilung der Expertise unter den Teilnehmenden die Antworten verzerrt werden.

Wie funktioniert die Delphi-Methode? Die 5 + X Schritte einer Delphi-Studie

Ablauf der Expertenbefragungen im Verlauf der Delphi-Methode

Das Verfahren zur Delphi-Methode bzw. Delphi-Studie besteht in der Regel aus fünf Schritten:

  1.   Definition der Forschungsfrage: Vor jeder Befragung steht das Ziel der Delphi-Studie im Vordergrund. Die Delphi-Methode eignet sich besonders für komplexe Themen mit breitem Meinungshorizont oder ungeklärte Sachverhalte, die mit mehreren Faktoren verknüpft sind.
  2. Auswahl der Teilnehmenden: Entscheidend ist ein guter Mix aus Wissen und Erfahrung zum Thema.
  3. Erstbefragung der Gruppe: Nach der Auswahl der Gruppe kommt die Befragung. In Fragebögen mit geschlossenen Fragen und Likert-Skalen geben die Teilnehmenden anonymisiert ihre Meinungen und Vorhersagen ab.
  4. Auswertung und Wiederholung: Die Antworten werden zusammengefasst und gehen wiederum anonymisiert an alle Teilnehmenden zurück. Dann startet die zweite Befragungsrunde, in der die Teilnehmenden die Antworten der Anderen sehen und darauf reagieren können. Jeder wird gebeten, die eigene Meinung bzw. Vorhersage aufgrund der vorliegenden Ergebnisse zu überdenken und ggf. zu korrigieren.
  5. Beliebige Wiederholung von Auswertung und Befragung: Die Antworten der zweiten Befragungsrunde werden wieder zusammengefasst und an die Teilnehmenden gegeben. Dieses Frage-Antwort-Anpassung-Spiel kann beliebig oft wiederholt werden – je nachdem, wie komplex das Thema ist oder präzise das Ergebnis sein soll.

Praxisbeispiel einer Delphi-Studie: Globale Tech-Trends bis 2030

Welche Technologien, Produkte und Dienstleistungen werden die Zukunft unserer Welt bestimmen? Eine komplexe wie vielseitige Frage mit vielen Faktoren und Variablen. Dazu wird eine Gruppe von Tech-Experten und -Expertinnen im Rahmen einer Delphi-Studie befragt – sie sollen anonym ihre Prognosen zu den kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungen in der Technologiebranche abgeben. Die Zusammenfassung der Antworten geht wieder in die Runde zurück, die Teilnehmenden sehen die Einschätzungen der anderen und können ihre eigenen überdenken und überarbeiten. Dieser Prozess wird beliebig oft fortgesetzt, um einen Konsens zu finden und möglichst präzise Prognosen aufzustellen. Ein Befragungsverfahren zur Konsensbildung also.

Die drei goldenen Regeln der Delphi-Methode

Ihr Unternehmen denkt über eine eigene Delphi-Studie nach? Dann haben wir für Sie drei essenzielle Tipps:

  1. Die richtigen Experten und Expertinnen finden: Die Qualität der Teilnehmenden bestimmt die Qualität der Ergebnisse. Die ausgewählten Experten und Expertinnen sollten relevante Kenntnisse und Erfahrungen im Forschungsgebiet haben. Eine ausgewogene Mischung aus Perspektiven und Meinungen fördert ein breites Spektrum an Ergebnissen.
  2. Klare und präzise Fragestellung: Der Fragebogen muss klar und präzise sein. Unklare Fragen können zu ungenauen und verzerrenden Antworten führen. Testen Sie im Voraus, ob die Fragen wirklich von allen richtig verstanden werden.
  3. Ergebnisse berücksichtigen: Die iterative Methode zielt auf eine Konsensmeinung ab. Daher ist die Analyse der Ergebnisse umso wichtiger, je stärker die Forschungsergebnisse zukünftige Entscheidungen und Strategien beeinflussen. Das Ergebnis kann auch die ursprünglichen Annahmen und Entscheidungen widerlegen, sodass die ursprünglichen Pläne angepasst werden müssen.

Lohnt sich die Delphi-Methode? - Präzise Einschätzung unklarer Sachverhalte

 

Die Delphi-Methode ist eine nützliche wie flexible Methode in der Marktforschung, um Expertenmeinungen zu einer Vielzahl von Themengebieten und Fragen einzuholen. Gleichzeitig kann sie Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen wertvolle Insights liefern. Mit der richtigen Auswahl der Teilnehmenden, klaren und präzisen Fragebögen sowie einer sorgfältigen Analyse der Ergebnisse können Unternehmen wertvolle Einblicke gewinnen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Strategien zu optimieren. Besonders bei ungeklärten Fragen oder Sachlagen mit vielen Faktoren bringt die Delphi-Methode Licht ins Dunkle und liefert spannende Ergebnisse. Dabei gibt es viele Bereiche, in denen diese Studie nützlich sein kann, von der Prognose zukünftiger Trends bis hin zur Identifikation von Risiken und Chancen für Ihr Unternehmen. Wir unterstützen Sie gerne beim ganzen Prozess.

 

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